Die Glockengießerstraße wurde bereits 1258 als platea campanariorum (Straße der Glocken) urkundlich erwähnt. Ab 1294 hieß die Straße Klockengeterstrate. Bis heute hat man in der Straße kein Gießhaus gefunden. Es ist deshalb davon aus zu gehen, dass hier die Handwerker wohnten oder auch kleinere Werkstätten betrieben. Der Glockenguss erfolgte außerhalb der Stadt oder direkt an den Kirchen. Bei den mittelalterlichen technischen Voraussetzungen war die Glockengießerei Schwerstarbeit für die Handwerker. Der Berufs- stand war sehr angesehen. In der mittelalterlichen Stadt bestimmte der viertel-, halb- und ganzstündige Glockenschlag den Tages- und Arbeitsablauf der Bewohner. Die Glocken erinnerten an die christlichen Festtage und Gebetszeiten. Sie waren aber auch akustisches Warnsignal bei Kriegen und Feuerbrünsten. In der Glockengießerstraße sind Backsteinbauten mit gotischen Treppengiebeln, verputzte Häuserfassaden mit Renaissance- oder geschwungenen Barockgiebeln, sowie Häuser des Klassizismus zu finden. Eine Besonderheit dieser Straße sind die mittelalterlichen Gänge und Höfe. Im oberen Bereich befinden sich der Füchtingshof und der Glandorpshof, sowie der Glandorps Gang. Der Füchtingshof ist die Stiftung eines reichen Lübecker Kaufmanns: Johann Füchting (1571 in Rietberg, Münsterland geboren, kam als 16jähriger nach Lübeck). Mit 57 Jahren wurde er in den Rat der Stadt gewählt. Füchting starb 1637 mit 66 Jahren. Seine Ehe mit Margareta von Lengerke war kinderlos geblieben. Er hinterließ ein beachtliches Vermögen und verfügte, dass das Geld in eine Stiftung „zum Nutzen der Armen“ eingebracht werde. Die Testamentsvollstrecker kauften das Grundstück in der Glockengießerstrasse und errichteten hier einen Stiftshof. In 21 Wohnungen lebten Kaufmanns- und Schifferwitwen, die freies Wohnrecht bis an ihr Lebensende hatten. Auch heute leben nur Frauen unterschiedlichen Alters in dem Wohnhof. Der ältere Stiftungshof ist der Glandorps Hof. Gestiftet vom Lübecker Kaufmann und Ratsherrn Johann Glandorp. 1556 in Münster geboren, 56jährig im Jahr 1612 verstorben. Neun Jahre vor seinem Tod errichtete er den Glandorps Hof als Stiftung. 14 „Witwen ehrbaren Standes“ hatten hier freies Wohnrecht auf Lebenszeit. Zur Straße hin besteht die Anlage aus einem langgestreckten Backstein- haus mit getreppten Zwerchgiebeln. Dahinter befinden sich eingeschossige Gebäude mit 13 sogenannten Gangbuden. Nach dem Tod seiner Witwe Anna wurde der daneben liegende Glandorps Gang mit den gleichen sozialen Belangen errichtet. Gang und Hof wurden bereits 1625 miteinander verbunden. Beide Einrichtungen umfassen heute 30 Wohnungen. Die Ganghöfe im unteren Bereich der Glockengießerstraße (Schwoll’s Thorweg, Bäcker-Gang) waren einfache Wohnhöfe für Hand- werker und Arbeiter. Sie sind durch einen niedrigen, tunnelartigen Gang vom Vorderhaus aus erreichbar. Der Gang musste so breit sein, dass ein Sarg hindurch passte.
Quelle: www.unser-luebeck.de
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